Kino ist gelegentlich immer noch Traumfabrik

„Wonka“ von Paul King

von Renate Wagner

Wonka
USA 2023

Regie: Paul King
Mit: Timothée Chalamet, Hugh Grant, Rowan Atkinson, Olivia Colman u.a.
 
Warum in Zeiten wie diesen, die ausgesucht bitter sind, die so genannten Weihnachtsfilme so süß ausfallen? Nachdem Disney „Wish“ versenkt hat, hat „Wonka“ nun die reale Chance, daß Familien mit den Kindern aufbrechen, um irgendwann zu den Weihnachtsfeiertagen ins Kino zu gehen.
Die Geschichte ist bekannt. Roald Dahl (der kein Harmloser war) hat sie geschrieben, und sie ist mittlerweile zum dritten Mal auf der Leinwand. Nach dem sympathischen, aber damals doch schon recht mittelalterlichen Gene Wilder (1971) und nach dem immer schrägen Johnny Depp (2005) ist nun Timothée Chalamet im Grunde die überzeugendste Verkörperung des Willy Wonka, knabenhaft, liebenswert, beweglich, aber doch überzeugend als der junge Mann, der seinen Traum verwirklicht.
Er macht Schokolade (für viele die unwiderstehlichste Versuchung…), und zwar die Beste vom Besten. Und stört damit ein Kartell, das diesen Handel fest in der Hand hält und niemandem in das Geschäft hineinlassen will – schon gar nicht jemanden, der Schokolade auch für arme Leute (da beutelt es die bösen Kapitalisten geradezu) möglich machen will.
 
Die hier gebotene Mischung aus Märchen und Musical, aus Fantasy und Sozialromantik hat aber auch – wie Märchen ja so oft – einen Hintergrund, der ein bißchen real und auch ein bißchen hart ist. Denn daß die Mächtigen einen ambitionierten jungen Menschen am Aufstieg hindern wollen, weil er Konkurrenz sein könnte, scheint nicht so weit her geholt, und daß ein kleiner Junge namens Noodle (Calah Lane) an Willy Wonkas Seite seine Eltern nicht kennt und keine Chance im Leben hat (die Mama findet sich am Ende ja doch), das ist im Bereich der tragischen Möglichkeiten des Lebens.
Freilich, ein Oompa-Loompa, ein tanzender Zwerg (hinreißend Hugh Grant, da wird es stellenweise wirklich skurril-absurd) taucht im wahren Leben wohl nicht auf. Ein intriganter, bestechlicher Gottesmann (köstlich Rowan Atkinson, vor allem, wenn er von einer Giraffe gejagt wird…) schon eher. Es ist also nicht gänzlich flach, tut aber auch nicht allzu weh – eine Mischung für die Art von Kino, die man auch (vor allem der starken, blendend choreographierten Musical-Szenen wegen) Disney zuschreiben würde. Aber die waren es in diesem Fall nicht, damit kann Warner punkten.
 
Regisseur Paul King sorgt dafür, daß die Ecken und Kanten der Geschichte nicht schmerzen, läßt die sehr bunte, üppige Ausstattung und rhythmische Musik wirken und vor allem seinen Hauptdarsteller, der schon gezeigt hat, daß er mehr kann (etwa in der subtilen Schwulen-Geschichte „Call Me By Your Name“), aber hier, Zylinder schwenkend, locker singend und tanzend, natürlich mit seiner Ausstrahlung den Film trägt, bei dem so vieles herzig durch die Luft wirbelt.
Die „Bösen“ – die Schokoladenfabrikanten Slugworth (Paterson Joseph), Prodnose (Matt Lucas) und Fickelgruber (Mathew Baynton), dazu der bestochene Polizeichef (Keegan-Michael Key), sowie das fiese Pärchen Mrs. Scrubbit (Olivia Colman) und Bleacher (Tom Davis) – sind letztlich ja doch vor allem witzig, von übermäßiger Belastung der Kinobesucher wird abgesehen. Ist ja Weihnachten, und da will man nichts Schweres vorgesetzt bekommen. Die Welt ist hart genug, Kino ist gelegentlich immer noch Traumfabrik.
 
 
Renate Wagner